Make or Buy – 85 Jahre alt und relevanter denn je

Eigenfertigung und -entwicklung (Make) versus Fremdbezug (Buy): vor dieser Entscheidung standen und stehen Unternehmen in regelmäßigen Abständen. Diese strategische Frage geht unter anderem auf den Nobelpreisträger Ronald Coase und seine Veröffentlichung The Nature of the Firm aus dem Jahr 1937 zurück. Seit 85 Jahren beschäftigen sich Wissenschaft und Unternehmen also mit dieser Frage. Hat sie an Relevanz verloren? Im Gegenteil.

Produkt- und Dienstleistungsentwicklung und die ggf. damit verbundene Forschung und Entwicklung sind zeit- und kostenintensiv; der Markterfolg oftmals ungewiss. Zudem werden Produktlebenszyklen kürzer und Kundenpräferenzen ändern sich schneller. Letztere sind außerdem in den Mittelpunkt von Unternehmensstrategie und Marketing gerückt. Das heißt, dass mittlerweile die Bedürfnisse der Kund:innen im Vordergrund stehen, im besten Fall antizipiert werden und ausschlaggebend für Produkt- und Dienstleistungsentwicklung sind (Kundenorientierung). Sich an schnell ändernde Kundenbedürfnisse anzupassen, verlangt dann entsprechend ungleich mehr Aufwand bei der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung.

Und was hat das alles mit Zahlungsdienstleistungen zu tun?

Die angespannte wirtschaftliche Lage und Marktsituation bedingt durch Krieg, Inflation und steigende Zinsen hat viele Zahlungsdienstleister und andere Fintech- Unternehmen dazu veranlasst – wenn nicht gezwungen -, massiv Kosten einzusparen und Stellen abzubauen. Börsengänge wurden verschoben. Unternehmensbewertungen nach unten korrigiert. Wo früher Investoren Schlange standen, stehen heute Effizienz, Kostenreduktion und Profitabilität im Vordergrund. Damit wären wir wieder bei der klassischen Make-or-Buy-Entscheidung. Angesichts von Kosten- und Profitabilitätsdruck, Nachfrageschwankungen und Präferenzänderungen stellt sich die Frage, welche Strategie zielführender ist: Zahlungs- und Finanzlösungen selbst entwickeln oder auf Lösungen von Partnern zurückzugreifen.
Das unternehmerische Risiko und Investitionsvolumen ist bei der Eigenentwicklung (Asset-Heavy-Modell) im Vergleich zum Fremdbezug (Asset-Light-Modell) in jedem Fall höher. Daher erscheint es gerade in der jetzigen Situation vielversprechender, (auch) auf Lösungen anderer (z.B. White-Label-Lösungen) zurückzugreifen. Unternehmen reduzieren dadurch Kosten und Risiko, können sich schnell an Marktbedingungen und Kundenbedürfnisse anpassen und ihr Geschäft schnell skalieren. Eingesparte Kosten können wiederum für Kundenakquisition und -bindung und andere strategische Maßnahmen verwendet werden. Es ist davon auszugehen, dass sich der Markt weiter konsolidieren wird und Unternehmen, die ein Asset-Light-Modell verfolgen, werden gute Chancen haben, ihre Wettbewerbsposition zu stärken und Marktanteile auszubauen.

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